Liebling der Massen: die Serengeti

Ein Ballon schwebt über die Weiten der Serengeti. Die Ballonfahrt ist für viele Besucher der Höhepunkt einer Safari in der Serengeti.

Egal, ob aus dem Auto oder von oben – die Serengeti ist aus allen Perspektiven eindrücklich. (C) Serengeti Balloon Safaris

Als ich vor knapp 20 Jahren das erste Mal in die Serengeti fuhr, blieb mir vor Staunen der Mund offen. Freilich, damals war ich noch recht rustikal unterwegs, mit Camping und im eigenen Fahrzeug, aber die schieren Tiermengen beeindruckten mich.

Seither habe ich die Serengeti unzählige Male besucht, und sie wird nie eintönig. Jedes Mal war anders, jedes Mal konnte ich Neues entdecken. Und jedes Mal verblüfft sie mich auf Neue.

Wenn Afrika ein Teller voller Weihnachtskekse wäre, dann wäre die Serengeti das süßeste und zarteste Vanillekipferl. Widerstand zwecklos.

 

Ich erinnere mich an einen Tag in der Nord-Serengeti. Es war einer jener Tage, die man nie vergisst. Bei 80 Löwen (die meisten Rudel mit Jungtieren) hatte ich zu zählen aufgehört.

Oder ein Tag, es muss irgendwann im Februar oder März gewesen sein. Für Recherchen für den Stefan-Loose-Tansania-Reiseführer musste ich von der Seronera an den Lake Victoria, eine Fahrt von 4-5 Stunden für 150 km. Er sollte als ödester Tag der Tierbeobachtung in die Geschichtsbücher eingehen. Keine Impalas. Nicht einmal Warzenschweine. Niente. Nada. Gähnende Leere.

Oder ein Sundowner im Walking Camp, als unerwartet eine Herde Büffel durchs Camp kam.

Oder ein Rudel Wild Dogs vor meinem Zelt um 5.30 Uhr morgens , als ich genüsslich an einem Kaffee nippte.

Oder… Oder… Oder… An Geschichten aus der Serengeti mangelt es mir wahrlich nicht.

Ein Ort der Superlative

Die Serengeti klingt und duftet wie ein Wunder, ein Sehnsuchtsort. Die Älteren erinnert sie an Bernhard Grzimek, die Jüngeren an König der Löwen. Sie fasziniert viele, generationenübergreifend, über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg.

Es besteht kein Zweifel daran: Die Serengeti ist der beste Park Afrikas. Warum eigentlich?

▶ Der tierreichste Park Afrikas.

▶ Der am besten finanzierte und geschützte Park Afrikas. Die Liste der Großspender hört sich ein bisschen wie das Staraufgebot beim Wiener Opernball an: Weltbank, Frankfurt Zoological Society, die deutsche Regierung, African Wildlife Foundation, World Wildlife Fund (WWF), Wildlife Conservation Society (WCS), Wyss Foundation, Howard G. Buffett Foundation, you name it.

▶ Der Park mit der höchsten Löwen-Dichte Afrikas. Kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen.

▶ Eine der wenigen noch verbliebenen, echten Tiermigrationen der Welt. 2 Millionen Gnus und ihre Freunde wandern jahraus, jahrein 800 km durch die Serengeti und die kenianische Masai Mara.

Eine Herde Gnus blockieren Sie die Piste - ein willkommener Road Block in der Serengeti!

Millionen von Gnus – Sie glauben gar nicht, welchen Lärm sie machen! (C) David Clode via unsplash

DAS Spektakel wollen alle sehen

Man kann praktisch nichts falsch machen, die Serengeti in einen Reiseverlauf einzubauen. Selbst wenn ein Veranstalter oder Mitarbeiter wenig Ahnung von Tansania oder gar Afrika hat. Die Serengeti enttäuscht praktisch nie, zumindest, was das Tieraufkommen anbelangt.

Die Serengeti ist schlichtweg die Cash Cow der tansanischen Tourismusindustrie.

Berechtigterweise. Aber an vielen Stellen leidet nunmehr schon das Erlebnis der Gäste.

✖ Eine Kohorte von Camps entlang der besonders tierreichen Korridore.

✖ Viele Camps auf engem Raum. Was das für Sie bedeutet? Sie sehen die Lichter der benachbarten Camps. Noch viel unangenehmer ist der Lärm, die Stimmen, der Fahrzeuglärm.

Autokolonnen bei Tiersichtungen. Mein ganz persönlicher Alptraum….

Grottenschlechte Guides, die anderen folgen, weil ihnen selbst die Kompetenz, Erfahrung und Ausbildung fehlt.

Unprofessionelle Guides, oft von 5-Tages-Low-Budget-Safaris, die wenig Ahnung von der Materie haben, sich nicht an den Verhaltenskodex bzw. -regeln halten und nur das Trinkgeld im Kopf haben.

Besucher, die wenig wirkliches Interesse an der Natur zeigen, sondern nur dazugehören wollen („weil es die Freunde auch gemacht haben“) oder Fotos auf Social Media posten wollen.

Große Probleme mit dem Wasser. Der Wasserstand des Mara River und seiner Nebenflüsse ist momentan auf einem historischen Tiefstand. Dies ist teils der Dürre in Teilen von Kenias geschuldet, aber auch den riesigen Wasserentnahmen der hunderten Camps. Experten befürchten sogar, dass die Große Migration deshalb in Gefahr sei.

Die Sonne geht auf in der Serengeti und beleuchtet ein Kuppelzelt. Beim Fly Camping verbringen Sie eine Nacht exklusiv in der Wildnis.

Fly Camping ist ein wunderbare Möglichkeit, eine Nacht unterm Sternenhimmel fernab von anderen Camps und völlig für sich alleine zu genießen! (C) Entara Tanzania

„Soll ich jetzt auf die Serengeti verzichten?“

Nein, absolut nicht. Nur genau hinsehen und unbedingt nachfragen.

1. „Muss es unbedingt die Serengeti sein?“

Mit dieser Frage überrasche ich in der Regel die Interessenten. „Ja, aber ich dachte, das ist der beste Park Afrikas.“ Stimmt schon, aber was sind Ihre wahren Beweggründe für die Serengeti? Es besteht ja keine „Verpflichtung“, die Serengeti zu besuchen, es gibt auch jede Menge anderer Parks in Tansania, die wahnsinnig ergiebig und tierreich sind.

Wenn Ihre Antwort „Die Große Migration“ lautet, dann gibt es wohl keine Alternative. Wenn aber Ihre Antwort lautet „Na ja, Löwen hätte ich gerne gesehen und Elefanten auch“, dann könnten Sie Alternativen in Betracht ziehen. Ob sie in den Reiseverlauf einfließen soll, hängt tatsächlich von Ihren Vorstellungen und Wünschen ab.

Nicht jeder Besucher oder jede Besucherin muss in die Serengeti.

 

Ein Gepard in der Serengeti hat eine Baby-Gazelle erlegt und trottet davon.

Wegen seiner „Katzen“ ist die Serengeti beliebt und berühmt. (C) dhruv via Adobe Stock

Ein Paar sitzt vor dem ihrem Zelt und blickt auf die Serengeti.

Eine Safari besteht nicht nur im Fahren, sondern auch mal im Sein. Im Verweilen, Warten. Und staunen. (C) Wayo Tanzania

 

2. Die Auswahl der richtigen Camps

Buchen Sie Camps, die abseits liegen, also nicht unbedingt im Trubel der Zentral-Seronera, von Kogatende oder der Ndutu Area.

Buchen Sie Camps, die mit Wasser sorgsam umgehen, also entweder Wasser sparen („Öko-Camps“).

Buchen Sie kleine Camps oder Familienbetriebe. Die Profitmaximierung treibt schon wunderliche Blüten in der Serengeti. Mittlerweile gibt es Camps in 10facher, identischer Ausführung, sogar mit gleichem Namen, nur durchnummeriert. Sie denken, Sie wären im authentischen Camp XY gebucht, dabei sind Sie im Camp XY 8 untergebracht.

Buchen Sie Camps mit abwechslungsreichen Aktivitäten. Fragen Sie nach, ob Flycamping, Sundowners oder ähnliches geboten wird. Pirschfahrten bis Sonnenuntergang machen ohnehin alle, aber mit zusätzlichen Erlebnissen bleibt Ihnen die Serengeti viel intensiver in Erinnerung.

3. Ernsthaftes Guiding

Buchen Sie bei Anbietern, die das Guiding ernst nehmen.

Dies aus der Ferne zu beurteilen ist ein schwieriges Unterfangen, das gebe ich gerne zu. Hat das Camp/der Anbieter einen hausinternen Guide-Trainer? Wie hoch ist die Fluktuation der Guides? Wie lange arbeiten die Guides schon beim Unternehmen? Das sind alles Qualitätsmerkmale eines ernsthaften Anbieters, dessen Guides der Serengeti und der Natur wegen arbeiten und nicht wegen des Trinkgelds.

 

4. Slow Safari in der Serengeti

Bleiben Sie länger in der Serengeti, nicht nur die obligatorischen 2 Nächte, wie es alle Standard-Safaris machen.

Wenn Sie 3 oder mehr Nächte bleiben, haben Sie eine größere Reichweite und können Camps wählen, die 2, 3 oder 4 Stunden von der Hauptpiste entfernt liegen. Wenn Sie nur 2 Nächte in der Serengeti einplanen, dann muss notgedrungen ein Camp entlang der überstrapazierten Gebiete gebucht werden, einfach weil sich längere Fahrzeiten nicht mehr ausgehen (oder die Zeit für die Tierbeobachtung dadurch verknappt wird).

Eine Frau liegt auf einem Felsen und blickt im Sonnenuntergang auf die Serengeti.

Die Magie der Serengeti spüren Sie erst im Innehalten. (C) Wayo Tanzania

Ein Gruppe von Menschen ist unterwegs auf einer Pirschwanderung in der Serengeti.

Erst durch Walking Safaris (in Kombination mit Pirschfahrten) lernen Sie das Ökosystem „Busch“ in seiner Gesamtheit kennen. (C) Entara Tanzania

5. Antizyklisch reisen

Nutzen Sie die Nachsaison oder die Zwischensaison. Sie sind dann zwar möglicherweise nicht im Zentrum der Tierwanderung, aber es ist bedeutend ruhiger.

 

6. Walking Camps

Integrieren Sie Walking Camps. Diese stehen nämlich in Walking Zones, wo keine Fahrzeuge erlaubt sind. Außerdem gibt es nur ganz wenige Anbieter, die so gut ausgebildete Guides haben, dass sie Walking Safaris anbieten können. Egal, ob ein Flycamp für eine Nacht oder ein Walking-Camp für mehrere Nächte, Walking Safaris in der Serengeti bringen Sie genau in DIE Gebiete ohne Massenaufläufe.

 

7. Reisepreis als Indikator

Sehen Sie den Reisepreis als einen Indikator für Massentourismus. Im Niedrigpreissegment (auch wenn es auf den ersten Blick nicht billig erscheint) sind Sie unter Garantie mitten im Massentourismus. Bei höher- und hochpreisigen Unterkünften besteht zwar auch die Möglichkeit, dass ein Camp in der stark genutzten Seronera liegt, aber es gibt zahlreiche 4-Stern- und 5-Stern-Camps, die sich bewusst weit abseits von den Hauptpisten platziert haben.

Fazit

Keinesfalls möchte ich Ihnen die Serengeti madig machen oder sie schlecht reden. Die Serengeti ist ein wunderbarer Flecken Afrika – wenn Sie die Massen umschiffen (können). 30 oder 40 Fahrzeuge (oder gar noch mehr) bei einem Rudel Löwen, das ist in der Seronera Area in der Hochsaison keine Seltenheit. Von langen Autokonvois vor dem Mara River in der Nord-Serengeti, die alle auf eine Flussquerung der Gnu-Herden warten, ganz zu schweigen.

Wir Afrika-Spezialisten müssen mit offenen Karten spielen. Und die Besucherströme besser lenken. Denn die momentane Praxis lässt viele Enttäuschte zurück. Und geht auf Kosten des Erlebniswerts der Gäste. Wer zahlt schon tausende von Euros, um sich dann in Autokolonnen einzureihen?

Aber die Serengeti ist riesengroß. Und bietet Platz für viele Träume, Wünsche und Reisebudgets.

Es existieren glücklicherweise Kniffe und Möglichkeiten, um abseits vom Massentourismus zu bleiben. Wo nur (Tier)Herden und die Natur eine Rolle spielen.

Eine Herde Gnus wandert im hüfthohen, goldbraunen Savannengras.

Der Hauptdarsteller der Großen Migration: das Serengeti-Weißbartgnu (blue wildebeest). (C) Rixie via Adobe Stock

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