Das Schicksal der Kilimanjaro Porters – unterbezahlt, überfordert und ausgenutzt

Auf dem Kopf befördern die Träger Ausrüstung, Essen und Wasser auf den Berg. Am Rücken hängt der Rucksack der zahlenden Gäste.

Zugegeben, der Kilimanjaro zählt zu den Top-Zielen in Afrika. Geheimtipps sehen anders aus. Dementsprechend überlaufen ist er, was aber seiner Faszination keinen Abbruch tut. Unüberschaubar viele lokale Agenturen und internationale Reiseveranstalter buhlen um die Gunst der BergsteigerInnen – oft mit Preisdumping.

Keine gute Idee.

Wo Preisschlachten stattfinden, bleibt vieles auf der Strecke. Besonders das herbeigesehnte Naturerlebnis in himmlisch ruhiger Bergkulisse. Möglicherweise auch, dass staatlichen Gebühren, Abgaben, Steuern entrichtet und gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden. Sicher ist aber eines: Dass das „unwiderstehliche“ Angebot zu Lasten der Träger und ihres Komforts geht.

Aber alles der Reihe nach.

Die unsichtbaren guten Geister: die Träger

Die meisten Träger „tragen“ nicht hauptberuflich, sondern im Nebenerwerb.
Als Landwirte bewirtschaften sie die Hänge des Kilimanjaro mit Gemüse, Kaffee, Mais oder Weizen. Oder sie verkaufen ihre Erzeugnisse am freien Markt. An jedem Landwirt/Träger hängen Großfamilien, d.h. ein Träger versorgt und finanziert 20, 30 oder vielleicht sogar 50 Personen.

Das Kilimanjaro-Geschäft ist kein kontinuierliches. Die Anzahl der Besteigungen schwankt je nach Monat. Juli bis Oktober und Dezember bis Februar gelten als Hochsaison. In den restlichen Monaten marschieren deutlich weniger Bergsteiger auf den Kili.

Und benötigen weniger Träger. In der Hochsaison schafft es ein durchschnittlicher Träger gerade einmal zweimal pro Monat auf den Berg, in den restlichen Monaten seltener.

In manchen Monaten gleicht ein Kilimanjaro-Aufstieg einer Völkerwanderung.

Eine Gewerkschaft haben die Träger natürlich nicht, aber die KPAP, das Kilimanjaro Porters Assistance Project, hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Arbeitsalltag der Träger zu verbessern.

KPAP empfiehlt einen Tageslohn von 20.000 Tanzanian Shilligi (ca. 8 €). Für einen gewöhnlichen Trek, z. B. über die Marangu-Route (5 Tage, 4 Nächte), erhalten Träger also 100.000 TSH. In einem Hochsaisonmonat, bei zwei Climbs, hat er im schlechtesten Fall 200.000 TSH, im besten Fall 320.000 TSH (für 2 x 8-Tages-Treks) Verdienstmöglichkeit.

Klingt viel. Ist es aber nicht.

Auto, ein gemauertes Haus mit Wellblechdach, Strom und Fernseher, bessere Schulen für die Kinder, medizinische Versorgung – davon träumen die Träger. Dafür würde es eher Gehälter jenseits von 2 Mio TSH brauchen.

Das Leben in Tansania ist teuer, wenn man seiner Familie mehr als nur das Überleben sichern will.

Reich wird ein Träger mit Sicherheit nicht, also nicht durch die Kilimanjaro-Besteigungen (selbst wenn Sie fürstliches Trinkgeld geben).

Leider werden nicht einmal die empfohlenen Mindest-Gehälter eingehalten.

Eine 2019 durchgeführte Umfrage des KPAP zeigt folgendes Bild: Während Mitgliedsbetriebe des KPAP ihren Trägern durchschnittlich 20.759 TSH pro Tag bezahlten, löhnten Nicht-Mitglieder durchschnittlich 13.834 TSH (da sind auch Ausreißer nach unten berücksichtigt, die nur erschreckende 8.000 TSH bezahlten).

Hochgerechnet auf 6 Träger (so viele sind pro Bergsteiger vorgeschrieben) bei 5 Tagen Trekking kann die lokale Agentur 70-80 € pro Trek einsparen (noch ohne Berücksichtigung von Essen, Eintrittsgebühren und Transporten).

Sie sehen, wo das hinführt: Die Anzahl der Träger und deren Bezahlung entscheidet maßgeblich über die Kosten einer Kilimanjaro-Besteigung.

Wozu braucht es überhaupt Träger am Berg?

Wenn man davon ausgeht, dass 2 Personen am Berg ca. 190-200 kg (!) (davon 30 kg Gepäck der Kunden, 160-170 kg Ausrüstung, Nahrungsmittel und Wasser) beanspruchen, ergibt sich folgende Milchmädchenrechnung:

Jeder Kili-Trek mit mindestens 2 zahlenden Kunden sollte eigentlich 12-13 Träger beschäftigen. Denn die Parkregeln des Nationalparks schreiben vor, dass jeder Träger max. 20 kg tragen darf, d.h. 15 kg für Equipment und Kundengepäck, 5 kg für die eigene Ausrüstung.

Die Realität sieht anders aus. Viele Agenturen suchen (und finden) unfaires Einsparungspotenzial bei den Trägern.

 

Einen Träger einzusparen rechnet sich jedenfalls, inklusive aller Gebühren und Kosten sind da locker 40-50 € an Einsparung drin – nur für einen Träger!

Wie können also bei einer Kilimanjaro-Besteigung Schnäppchenpreise kalkuliert werden?

Indem Dumping-Löhne an die Träger gezahlt werden.

Indem weniger Träger angeheuert werden. Vier statt sechs pro Bergsteiger.

Indem weniger Guides mitwandern. Einer statt zwei pro Kleingruppe.

Indem an der Ausrüstung gespart wird. Wenn die Camping-Ausrüstung täglich in Gebrauch ist (was in der Hochsaison der Fall ist), dann hilft selbst die teuerste und beste Qualität nichts: Die Zelte sind nach drei Saisonen komplett hinüber. Da alles von A – Z importiert werden muss, sind Kosten von 800-900 US$ pro Zelt keine Seltenheit.

Meine Partneragentur in Tansania kaufte beispielsweise Zelte aus Nepal, mit
verstärkten Böden und Strukturen. Kostenpunkt: 800 US$ pro Zelt.

Indem die Qualität und die Menge des Essens knapp kalkuliert wird. Für die Bergsteiger, also die zahlenden Kunden, nämlich.

Indem beim Essen für die Crew gespart wird. Bohnen und Reis sind billiger als ein ausgewogenes Menü mit Nudeln, Kartoffeln, Fleisch, Obst oder Gemüse.

Bei der 2019 durchgeführten Umfrage der KPAP gaben die interviewten Träger an, dass nur 19 % ihrer Arbeitgeber, wenn sie kein Mitgliedsbetrieb von KPAP sind, sie mit mehr als 2 Mahlzeiten pro Tag versorgten.

Im Umkehrschluss heißt das: 80 % aller Agenturen (speziell der Low-Budget-Unternehmen) stellen nur eine oder zwei Mahlzeiten am Berg zur Verfügung. Unglaublich, oder?

Beim Transport für die Crew. Die Jungs mit einem Dalladalla zum Gate hochzuschicken ist bei weitem billiger als ein Fahrzeug einzukalkulieren.

Bei der Ausrüstung für die Begleitmannschaft. Abgehalfterte Jacken, löchrige Zelte, feuchte Schlafsäcke, die nicht mehr wärmen …. Möglichkeiten am Equipment der Träger und Guides einzusparen gibt es en masse.

Sonderpreise von Kilimanjaro-Besteigungen klingen verlockend, aber mehr als anderswo gilt: Den Letzten beißen die Hunde.

Also die Träger. Sie bezahlen Ihren „Deal“.

Letztlich schädigen Sie sich selbst. Durch überlastete, hungrige und mürrische Träger und Guides, die Sie möglicherweise während des Aufstiegs durch Trinkgeld-Forderungen unter Druck setzen. Durch altes, kaputtes Equipment wie löchrige Zelte oder klapprige Sessel. Durch unzureichende Verpflegung, eintöniges Essen, kleine Portionen. Und durch ein schlechtes Gewissen, am falschen Ende aus falschen Gründen gespart zu haben.

Und all das nur, damit man unter Umständen 200 € einsparen kann?

 

Über KPAP

Das Kilimanjaro Porters Assistance Project hat sich den Arbeitsbedingungen der Träger im Kilimanjaro-Tourismus verschrieben. Die Forderungen beziehen sich auf Mindestgehälter, Maximalbelastung beim zu tragenden Gewicht, Verpflegung und Ausrüstung der Träger sowie weitere Mindeststandards.

Des weiteren stellen sie Mietkleidung zur Verfügung und bieten Ausbildung, z. B. Englisch oder Money Management.

Agenturen in Tansania und Reiseveranstalter weltweit können sich als Mitglieder eintragen lassen, um die Mindeststandards mitzutragen: https://kiliporters.org/

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